Gerhard Jordan: Bezirksrat
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Seit 1978 unter Denkmalschutz, wurde sie durch eine (nach 1983-85 bereits zweite) Generalsanierung von 2012-16 in einen Zustand versetzt, der mit dazu beitrug, dass ihr nun von der EU-Kommission das das „Europäischen Kulturerbe-Siegel“ (European Heritage Label) verliehen wurde.
Entstanden ist die heute aus rund 70 Häusern bestehende Siedlung auf Initiative des Deutschen Werkbunds, der 1930 seine Jahrestagung in Wien abhielt. Mehrere ArchitektInnen sollten damals einen Beitrag zum modernen Wohnbau leisten – nach dem Vorbild der 1927 in Stuttgart errichteten Weißenhofsiedlung, die nun gemeinsam mit der Werkbundsiedlung und anderen Objekten (wie der Villa Tugendhat in Brünn) ausgezeichnet wurden. Die Gesamtplanung oblag Josef Frank, der schon in Stuttgart beteiligt war, 1929-31 gemeinsam mit Oskar Wlach die „Villa Beer“ in der Wenzgasse 12 entwarf und 1933 nach Schweden emigrierte. Die Siedlung wurde 1932 mit einer Ausstellung eröffnet, es wurde damals jedoch nur ein Teil der Häuser verkauft.
Neben renommierten österreichischen Architekten wie Josef Hoffmann und Adolf Loos sowie jüngeren wie Max Fellerer, Oswald Haerdtl, Clemens Holzmeister, Ernst Lichtblau oder Ernst Plischke - und der einzigen Frau, Margarete Schütte-Lihotzky (später auch antifaschistische Widerstandskämpferin; sie schuf die beiden kleinen Reihenhäuser Woinovichgasse 2 und 4) - waren auch Architekten aus dem Ausland beteiligt: Unter ihnen André Lurçat aus Frankreich (der das vielleicht markanteste Gebäude an der Veitingergasse 87-93 errichtete), Gerrit Rietveld aus den Niederlanden, Hugo Häring aus Deutschland, der damals in Frankreich lebende armenischstämmige Gabriel Guevrekian sowie die 1923 bzw. 1933 in die USA ausgewanderten Architekten Arthur Grünberger (der auch die 1938 zerstörte Hietzinger Synagoge, die an der Ecke Eitelbergergasse 22/Neue-Welt-Gasse 7 stand, entwarf) und Richard Neutra.
An diesen Beispielen lässt sich schon erkennen, warum die Werkbundsiedlung für das European Heritage Label ausgewählt wurde. Dieses ist - im Unterschied zum UNESCO-Weltkulturerbe-Status - eine Auszeichnung, die seit 2014 alljährlich einer Reihe von Kulturerbestätten verliehen wird, die eine starke Symbolkraft für die gemeinsame Geschichte, Einigung und Identität Europas haben. Dazu gehören beispielsweise die Altstadt von Athen, die Abtei von Cluny, die Große Synagoge in Budapest, der Friedenspalast in Den Haag oder die Danziger Schiffswerft (von der die polnische unabhängige Gewerkschaft Solidarność ihren Ausgang nahm). Aus Österreich wurden bisher der Archäologiepark Carnuntum und die Wiener Hofburg ausgezeichnet.
In diesen „erlauchten Kreis“ wurde nun auch die Werkbund-Siedlung aufgenommen, was von den Hietzinger Grünen - die dort im Herbst 2017 eine Führung mit der Bewohnerin und Künstlerin Susanne Kompast organisiert hatten - ausdrücklich begrüßt wird.